Donnerstag, 28. August 2008

Hogar de Niños und Rancho

Heute haben wir den 28sten August, mittlerweile bin ich schon einen Monat und ein Tag im Land des Tangos. Ich wuerde sagen ich hab mich relativ gut eingelebt schon, kann mich in der quadratischen Hoelle Buenos Aires gut orientieren und bin mit meiner zahlreich vorhanden Familie schon ziemlich dick...

Das sind so die Allgemeinheiten. Die Besonderheiten der letzten zwei Wochen sollen hier jetzt naeher ausgefuehrt werden. Seit zwei Wochen bin ich naemlich schon in Villa Ballester (ein Vorort von Buenos Aires) im Kinderheim namens "Hogar Maria Luisa" am Arbeiten und in dem Studentenwohnheim "El Rancho" (zu deutsch etwa: Der Bauernhof) am Leben.

Ich fang am besten mal beim Rancho an. Das Rancho liegt ungefaehr 150 Meter vom Kinderheim entfernt und ist ne Art Studentenheim/Jugendherberge Mischung mit Gemeinschaftsraum mit Kueche, Fernseher, Couch und diesem Kram, ausserdem mit kleinem Innenhof und halt mit vielen separaten Zimmern fuer die Einwohner...
Die Einwohner sind ausser mir und zwei deutschen Kinderheimkollegen von mir ein Haufen freakige Urugayer und ein paar nicht weniger freakige Argentinier. Insgesamt sind wir ungefaehr 20 so um den Dreh.

Des Leben im Rancho ist eigentlich echt logger, meistens ziemlich lustig halt und chaotisch. Da torkelt dir morgens schonmal der noch halbschlafende Urugayo Franco entgegen, stellt geistesabwesend ein Topf mit Nudeln vom Vortag aufn Herd, schuettet kommentarlos ein Glas Wasser rein und setzt sich erstmal vor den Fernseher (ohne die Nudeln umzuruehren versteht sich). Is ne Art Fruehstueckszeremonie von dem :-)

Wir verstehn uns alle gut, kennen uns alle schon gut, haben schon zusammen Fussball gespielt, diskutiert und sind auch zusammen weggegangen abends...
Mein Zimmer hab ich mir auch schon ganz gut eingerichtet, hab Bettdecken zu Tischtuechern umfunktioniert, hab ne alte Bundeswehrdecke als Teppich (bzw. Fussabtreter hehe), hab Raeucherstaebchen gekauft und hab weil ich keine Poster in Ballester gefunden hab, nem chinesischen Verkaeufer seine Bruce Lee und Jackie Chan Plakate aus seinem Laden abgekauft, die jetzt froehlich bei mir im Rancho haengen :-)
So ungefaehr laeufts ab... Also alles chaotisch, aber alles seeehr logger...

Aber abgesehen vom Rancholeben gibts natuerlich noch das Arbeiten!
Im Kinderheim gibts zwei Schichten, naemlich die morgens von 6.30 Uhr bis 13.30 Uhr und die von 13.30 Uhr bis 21 Uhr.
Die Arbeit ist aber eigentlich ziemlich locker. Man muss halt eigentlich nur immer schauen, dass sich die ungefaehr 40-50 Kinder nich die Koepfe einschlagen waehrend sie spielen und auch sonst die halt beschaeftigen, Hausaufgaben machen, die zur Schule bringen und wieder abholen, denen das Essen von den Koechinnen servieren, schauen, dass sie sich duschen und die Zaehne putzen, die morgens aufwecken etc etc...
Die Kinder lassen sich vom Alter her in vier Gruppen aufteilen, naemlich:
Kleine Jungs, kleine Maedels (von 5 bis 10 ungefaehr), grosse Jungs (sin so 13, 14 rum, sin aber nur drei) un grosse Maedels (von 14 bis 17 ungefaehr)...
Also die alle muss man von Montags bis Freitags beschaeftigen als Freiwilliger...
Am Wochenende sind die Kinder dnan alle bei ihren Familien, sofern sie welche haben, wenn nicht dann bei Bekannten...

Die sind naemlich alle Kinder aus Problemfamilien. Die zwei kleinen Schwestern Brenda und Karen sind zum Beispiel im Heim, weil ihr Vater spielsuechtig ist, das Haus und seine Firma verspielt hat und die Mutter daraufhin verrueckt geworden ist, interniert ist un deshalb nichmehr auf die Maedels aufpassen kann... Das Wochenende sind die dann immer entweder bei Onkel oder bei Tante...
Alberto zum Beispiel ist widerum schon Weise mit seinen 12 oder 13 Jahren, andere Kinder sind im Heim, weil die Mutter nach Buenos Aires gekommen ist, um irgendwie Geld zu verdienen und ist letztendlich als Putze bei irgendeiner Familie eingezogen und kann da natuerlich nich die Kinder mit bei denen wohnen lassen... Also sind die bei uns im Kinderheim...

Man muss aber wirklich sagen, dass der Grossteil der Kinder trotzdem absolut cool is, locker die Jungs, die Maedels sind lieb, also da is niemand irgendwie verstoert oder so, ganz im Gegenteil halt... Es macht eigentlich viel Spass aber is halt auch gut anstrengend...

Meine Spezialitaet ist uebrigens das WECKEN geworden! :-D
Ich bin mittlerweile der gefuerchtetste WECKER der Kinderheimgeschichte glaub ich :-) Wenn die Jungs nich aufstehen wollen und dir kommt morgens entgegen "Ni un pedo me levanto ahora" (mir wuerdens uebersetzen mit: "Dei Mudda muss jetzt aufstehn"), greif ich zu Wasser, zu kleinen Spielzeugbaseballschlaegern, zu meinem Handy mit Rasierergeraeusch oder zu sprechenden Spielzeugfiguren und penetrier die Faulen solang, bis sie dann tasaechlich aufstehen :-) Da kenn ich nix :-) Und ploetzlich klappt es ganz gut :-)

Ohaa, wenn MICH einer so wecken wuerde, alter alter...
Tagsueber kommen dann die dementsprechend gespannten Fragen: "Julián, arbeitest du morgen wieder fruehs?" :-D


Naja, so ungefaehr laeuft mein Leben grad hier im Rancho und im Hogar...
Heute Nacht hab ich bei meim Onkel im Zentrum geschlafen, wo ich grad immernoch bin, muss jetzt gleich wieder nach Ballester zurueckfahren und um halb zwei (halb sieben deutsche Zeit)gehts in die naechste Runde mit Alan, Mario, Estefanie, Maria, Nati, Sofi, Augustina un co...


Also, soweit malwieder von mir... Das naechste Mal geb ich mal die Nummer vom Rancho durch, wo ich zu erreichen bin... Wuerd naemlich uebel gern malwieder mit jemand von euch telefonieren... Gestern hab ich ne halbe Stunde mim Sebbl telefoniert un war absolut der Hammer fuer mich wieder jemand von euch zu hoeren... Obwohl mein Leben hier grad sehr laessig laeuft vermiss ich euch gut hey, glaubt mir...

Also, auf bald dann...

Mittwoch, 13. August 2008

San Martin de los Andes

Obwohl es schon einige Zeit zurueck liegt, wollte ich noch ein bisschen was ueber meinen fuenftaegigen Aufenthalt im Sueden Argentiniens (in San Martin de los Andes) loswerden, wo ich letztes Wochenende fuenf Tage verbracht hab...



Also, erstmal, nach San Martin braucht man von Buenos Aires aus 22 Stunden mit dem Bus...

Aber andere Moeglichkeiten dahin zu gehn gabs keine mehr, weil hier grad die Winterferien angefangen hatten, und alle Fluege ausgebucht waren... So hab ich mich also vom Bus aus mit der Pampa vertraut machen duerfen, eine absolut flache, steinige und staubige Ebene, wo einfach weit un breit das Selbe um dich rum ist... ziemlich beaengstigend kann ich euch sagen...



Naja, letztendlich bin ich doch irgendwie angekommen und hab dann die grosse Familienkennenlernaction weiterfuehren duerfen... Meine Tante Graciela und meine kleine verrueckte Cousine Julieta (17) ham mich vom Busbahnhof abgeholt und mich bei sich einquartiert... Da die beiden mit Glueck die 1,60 Meter ueberschreiten, und in einem dementsprechenden Haus wohnen, ha ich mich gefuehlt wie in einem Puppenhaus. Alles so klein und fast alles aus Holz :-)

Ueberhaupt ist die ganze Stadt ziemlich schoen, es gibt glaub ich dort ungefaher 130.000 Einwohner und alles sieht irgendwie aus wie im Schwarzwald, soviele Haeuser aus Holz und Stein gibts da...



Letztendlich hab ich dann auch meinen Onkel Ricardo kennenlernen duerfen, der Bruder von meinem Vater, und das komplette Gegenteil davon :-D Waehrend mein Vater halt so Typ zerstreuter Professor ist, ist mein Onkel Ricardo ein totaler Abenteurertyp, kein Theoretiker sondern ein absoluter Praktiker... Ich wusste des ja schon vorher, aber ich war trotzdem erstaunt, wie unterschiedlich Brueder eigentlich sein koennen...



Wieauchimmer, in den fuenf Tagen mit denen in San Martin hab ich eigentlich meistens gechillt, gelesen oder was Aehnliches... War aber auch mit Ricardo in seinem Auto unterwegs, was selbst unter den total alten und kaputten Autos Argentiniens noch Aufsehen erregt. Das Auto hat den absolut passenden Namen "Tschernobyl" und ist ein alter Fiat Uno, dem man nie und nimmer mehr zutrauen wuerde, auch nur die kleinste Bewegung mehr zu machen :-D

Im Tschernobyl hat mir mein Onkel dann also die Berge gezeigt und ist mit mir auf holprigen Wegen quer durch den Wald gefahren um mir den riesigen Lacarsee zu zeigen usw usw

Und danach is er mit mir noch gemuetlich "un chocolate" trinken gegangen in seinem Stammlokal, wo ich die Ehre hatte, den beruehmten "Tisch 5" kennenzulernen (der Stammtisch, wo alle moeglichen Menschen sich zum miteinander Labern treffen)... Sehr laessig, sehr laessig...



Naja und sonst hab ich auch noch mit meiner grossen Cousine Mercedes (27) und ihrem sehr coolen Ehemann namens Alejandro (der stark an Shrek erinnert) gechillt und bin ins dortige Che Guevara Museum gegangen...



Also alles sehr cool gewesen in San Martin, sobald ich rausgefunden hab, wie man hier Fotos draufstellt, werdet ihr auch einiges zu sehen bekommen... :-)



Bald wird dann ein Bericht zu den ersten Tagen im Kinderheim folgen, wo ich gestern meinen ersten Arbeitstag hatte... Bis dahin Gruesse aus Buenos Aires

Samstag, 2. August 2008

Die Dauermuedigkeit

Mittlerweile bin ich schon 4 Tage hier in der Hauptstadt Argentiniens. Ich hab schon das Wichtigste gesehen (La Casa Rosada, el Congreso, el Obelisco...), hab mich schon von Paloma bekochen lassen (was unglaublich geil war), hab mit Nico schon dick diskutiert und ein grosses Familientreffen ueberstanden. Das hoert sich jetzt mehr an, als es eigentlich war...Den Rest der vier Tage, also die meiste Zeit, hab ich nichts anderes gemacht, als zu pennen wie ein Stein!!

Das Ding ist naemlich, dass ich hier drei Intensivkurse gleichzeitig abbekomme, rund um die Uhr, ohne was dagegen tun zu koennen. Diese Intensivkurse heissen Sprache, Familienkunde und Politik...Um euch aufzuklaeren und mich selbst ein bisschen zu entwirren, fass ich das hier einmal ein bischen zusammen...

1. Sprache:

Es ist am Anfang natuerlich immer schwer, mit ner anderen Sprache klarzukommen. Was die Menschen hier reden ist zudem alles andere als „Hochspanisch“. „LL“, was ja eigentlich „lj“ ausgesprochen wird, wird hier zum „sch“ (z.B. heisst Mallorca hier „Maschorca“). „Du“ heisst nicht „tú“ wie im gescheiten Spanisch, sondern „vos“. Und die Betonungen sind bei konjugierten Verben auf der letzten Silbe, nich auf der vorletzten wie normal (z.B. ¿Qué trabaJAS? statt normal ¿Que traBAjas?)...
Alter alter, des is schon heftig genug... Und dann kommen noch die ganzen Redewendungen dazu... Drei strange Beispiele:

- „All yo can eat“ heisst hier „freie Gabel“
- „Dackel“ heist hier „Wursthund“
- „Weisheitszaehne“ heissen „Gerechtigkeitszaehne“ :-)

Also, hier ist alles sehr anstrengend sich zu verstaendigen und Gespraeche gescheit mitzubekommen...Ein grosser Faktor fuer meine Dauermuedigkeit...

2. Familienkunde:

Mich hats ja nachm Abi hauptsaechlich nach Argentinien gezogen um meine Familie hier kennen zu lernen...Meine naeheste Familie hier ist ja der Bruder von meinem Vater (Ricardo), seine Frau Graciela, und die vier Kinder Paloma (36), Mercedes (27), Nicolás (24) und Julieta (17). Nico und Paloma wohnen in Buenos Aires und die anderen in dem kleinen Staedtchen San Martín de los Andes im Sueden Argentiniens (wo ich auch bald hinfahren werde).

Ok, der Rest der Familie is einfach nur in Riesenhaufen Menschen, von denen die meisten in Buenos Aires wohnen... Dieser Riesenhaufen teilt sich auf in Calettis (von meinem Opa) und Trinellis (von meiner Oma). Mein Opa Libero Caletti hatte vier Brueder und eine Schwester. Diese Generation ist allerdings schon vollstaendig verstorben. Die Kinder dieser sechs „Ur-Calettis“ sind wiederum 10, was heisst, dass mein Vater neun direkte Cousins hat (nur vaeterlicherseits!). Die haben wiederum Kinder, also meine Generation, fragt mich nich wieviele... Und genau des selbe Spiel mit meiner Oma Herminda Trinelli de Caletti... Von der Seite hat mein Vater wieder sonstwieviele Cousins, die wieder sonstwieviele Kinder haben...
Da die 250 Cousins der Generation meines Vaters immer sehr eng miteinander verbunden waren, sind das sozusagen meine „Onkels und Tanten“ und deren Kinder meine „Cousins und Cousinen“ (Obwohl ja eigentlich Grossonkels und Grosscousins)...
Ihr seht, Riesenchaos. Man koennte von meiner Familie hier en ganzes Dorf gruenden (und es zum Beispiel Obergriessheim 2 nennen) :-)
Ohne Stammbaum keine Chance, auch nur das Mindeste zu raffen :-)

Ok, bis jetzt hab ich kennengelernt meine (Gross-)Onkel Armando, Eduardo und Sergio Caletti (sehn alle irgendwie gleich aus :-)) und die Tochter von Sergio, meine (Gross-)Cousine namens Bárbara (26)...

Auf der Trinelli Seite gabs gestern ein Riesenabendessen, wo ich kennenlernen durfte:
Meine (Gross-)Tanten Marta und Negrita Trinelli, den Mann von Negrita namens Coco (Riesenkerl), deren Kinder Daniel und Edith, deren Kinder (ungefaehr so alt wie ich) fragt mich nich, wie die hiessen alter...

Zwei, die ich auf jeden Fall nich wieder vergess, sind die Kinder von Tante Marta Trinelli, naemlich Emilio Picarelli (32) und Florencia Picarelli (26). Die sind alle beide Psychologen, und die haben mich so herzlich empfangen, die warn so lieb zu mir hey... Die waren auch so laessig drauf, sehn noch total jugendlich aus und mit denen werd ich bald das Nachtleben von Buenos Aires unsicher machen, wird der Hammer!

Naja, ihr seht, diese ganzen Strukturen ueberblicken zu wollen, alles auf einmal, ist natuerlich ein weiterer sehr grosser Grund fuer meine Dauermuedigkeit...


3. Politik:

Auffallend war zunaechst, dass es sehr heftigen Streit in meiner Familie gab, aufgrund von Politik. Da hat der eine den anderen dafuer gehasst, dass er sonstwo eingereten ist usw usw... (Dieser Konflikt dauert scheinbar sogar bis heute an...)
Ich dachte als erstes: solche Uebertreiber. Die politische Einstellung ist doch nur einer von vielen Faktoren, die einen Menschen ausmachen...
Und dann hab ich gemerkt, dass dieser Gedanke ein typischer ich sag mal „Erste-Welt-Gedanke“ war.

In Europa ist Politik etwas, das man fast wie ein Hobby sehen kann. Viele interessieren sich nicht dafuer, manche schon. Die, dies tun, koennen bei Bedarf abschalten, Politiker koennen die Politik im Buereau lassen, wenn sie nach Hause gehen, sie koennen sich um was anderes kuemmern...Die, die nix drauf geben, leben halt so, schauen, dass sie schaffen gehn, gehn anderen Hobbys nach, schauen vielleicht auch manchmal in die Zeitung und so...

Hier ist DEIN LEBEN Politik!!

Hier liest du die Zeitung, weil drinsteht, ob du in Zukunft deine Arztbesuche aus eigener Tasche zahlen musst, oder nicht. Weil drinsteht, dass die argentinische Bahn privatisiert wird, und ploetzlich der Grossteil der Zugverbindungen nicht mehr existiert und du kommst nicht mehr zur Arbeit. Weil drinsteht, dass das Land sehr hohe Schulden hat, und dein Erspartes auf der Bank ploetzlich nicht mehr ausgezahlt werden kann, dass es einfach so weg ist... Was ich damit sagen will: Die Politik ist hier einfach allgegenwaertig. Wenn du dich nicht dafuer interessierst, ist das so, als ob du dich nicht dafuer interesierst, wie es mit dir weitergeht.

Die Politik ist hier in deinem Wohnzimmer! Keine Welt aus Watte, wo man manchmal eventuell etwas merkt, so wie in Deutschland, sondern eine Welt, in der alles ungebremst auf dich einschlaegt...

Vorgestern hab ich zusammen mit meinem (direkten) Cousin Nico (der Politik und Wirtschaft studiert) einen Film angeschaut namens „Geschichte einer Pluenderung“. Es ging um die grosse Krise, unter der Argentinien in den Jahren 2001/2002 leiden musste, wie die Anfaenge davon waren, und wer verantwortlich fuer den totalen Niedergang dieses eigentlich reichen Landes ist... (Auf den Macher dieses Films wurden uebrigens schon mehrere Attentate veruebt)...

Naja, sehr kompliziertes Thema. Das jetzt alles zu schreiben braeuchte einen Bericht fuer sich... Fakt ist, dass Konzerne aus Deutschland wie die Deutsche Bank, Siemens, Telekom und Mercedes Benz gewaltig ihr Finger mit im Spiel hatten, das Land im wahrsten Sinne des Wortes auszupluendern... Noch dazu war der Chef des Internationalen Waehrungsfonds (IWF) zu dieser Zeit kein Geringerer als Horst Koehler! Der IWF ist normalerweise dazu da, Schulden und Krisensituationen in Dritte-Welt-Laendern zu regulieren. Leider muss der IWF damals ganz schoen die Augen verschlossen haben...

Da wurde z.B. die Fluglinie Aerolinas Argentina, die dem Staat gehoerte, zu Spottpreisen an den spanischen Flugkonzern Iberia verkauft, fuer den Preis von 1.50 Dollar pro Flugzeug!! Ploetzlich hatte Iberia en Haufen Flugzeuge mehr, Argentinien en Haufen weniger, keine Gewinne durch Fluege mehr, weitere Arbeitslose, weitere Schulden... Politiker wie der damalige Praesident Carlos Menem, die durch die Macht der Massenmedien gewaehlt wurden, machten dies nicht nur moeglich sondern bereicherten sich dadurch auch noch selbst ohnesgleichen! Pluenderung total! Und das ist nur ein Beispiel von vielen...

Was ich damit sagen will:
Deutsche Bank, Telekom, Siemens usw mittendrin... Sogar unser jetziger Bundespraesident... Deutschland (also wir!) traegt ganz schoen Mitschuld an dem Leid der Argentinier, das zum Teil bis heute andauert... Wer haetts gedacht?

Summa summarum: Politik hier nimmt einen sehr grossen Platz in normalen Alltagsgespraechen ein. Das ganze halbwegs zu raffen, was hier so abging, auch die Geschichte Argentiniens und das auch noch in ner anderen Sprache, das ist der groesste Intensivkurs der drei und folglich das, was mich am meisten Kraft kostet.

Voilá die Dauermuedigkeit...

Soweit mein Bericht fuer heute...Ich werd die naechsten Tage dann mit dem Bus 22 Stunden in den Sueden fahren, nach San Martín de los Andes, fuer fuenf Tage... Gute Nacht, ich leg mich schlafen...
Ich melde mich...

Der erste Tag

Wie beginnt eigentlich ein grosses Abenteuer? Wie geht sie eigentlich los, eine grosse Reise in eine andere Welt? Eine lange Zeit zwoelftausend Kilometer entfernt von daheim?
“WIE, DU SCHLAEFST IMMERRRNOOCH??? DU HAELTST DEINE VERSPRECHEN NICHT!!! WIR HATTEN GESAGT HALB SECHS!!! STEH AUF LUEGNER!!!
Alter, bin ich jetzt doch bei der Bundeswehr gelandet oder was?! Um fuenf nach halb sechs so aus dem Bett gestresst zu werden, nach einer knappen Stunde Schlaf, von einem halbblinden, ganzschwerhoerigen Berufshektiker, der sich mein Vater nennt und auch noch die ersten drei Wochen mitkommt…Ein Riesenbeginn…

Ein Weilchen spaeter sieht das Ganze doch schon viel besser aus. Wir befinden uns nach 14 Stunden Economy Class im Anflug auf Buenos Aires. Eine Riesenflaeche voller kleiner orangener Lichter am Boden erhellt die Dunkelheit. Dieser Anblick erinnert mich stark an ein Gemaelde aus dem Louvre, auf dem nachts die Erde aufbricht und aus der Flammenhoelle tausende kleine Feuerkrieger ein dunkles Schloss auf einem Berg angreifen. Ein Riesenbild! Was mein Vater dazu beizutragen hat, passt:
“Diese Stadt ist keine Stadt, sondern ein Monstrum”…

Wieder ein Weilchen spaeter. Wir sind gut in unserem Departamiento angekommen, das sehr schoen eingerichtet ist und eine zentrale Lage hat. Meinen Onkel Armando Caletti hab ich mittlerweile auch kennengelernt, der mir gleichmal alle moeglichen Beleidigungen beibringen wollte und mir gestand, Tango zu tanzen wie eine Mumie im Rollstuhl…Das war schonmal sehr laessig :-)
Gleich darauf stand Abendessen in einem Restaurant namens “Guerrin” auf dem Programm, und endlich konnte ich meine aelteste Cousine Paloma (36), ihren Mann Gastón, deren zehnjaehrigen Sohn Federico (Fede) und vor allem meinen Cousin Nicolás Caletti (25) kennenlernen. Die haben mich natuerlich sehr lieb empfangen, wilkommen geheissen, alles moegliche. Aber eigentlich war ich viel zu muede um viel reden oder dem Gespraech folgen zu koennen… Nachdem wir nach dem Essen noch geschwind am Obelisk vorbeigelaufen sind, bin ich wieder zurueck im Departamiento dick in mein Bett gefallen un hab erstmal nichts mehr gemacht…
Das war mein erster Abend in Buenos Aires… Anstrengend aber gut…